Einen Rechtsanspruch auf ausreichende, niedrigschwellige und offene Beratungsangebote für überschuldete Menschen fordert Stefanie Söhl von der Schuldnerberatungsstelle des Diakonischen Werkes in Bremervörde. „Wenn Menschen in finanzielle Not geraten, brauchen sie – unabhängig von der Einkommenssituation – Unterstützung. Denn Überschuldung destabilisiert die Betroffenen in verschiedener Weise, nicht nur durch oft ungeklärte rechtliche, wirtschaftliche und soziale Fragen, sondern auch in psychischer und gesundheitlicher Hinsicht“, sagt Stefanie Söhl anlässlich der bundesweiten Aktionswoche Schuldnerberatung. Nicht selten entstehe ein Teufelskreis, den die Betroffenen oft ohne Begleitung nicht durchbrechen könnten.
Verschuldung ist kein Einzelfall. Nach Angaben der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AGSBV) haben 647.136 Personen wegen finanzieller Probleme im Jahr 2015 in einer der 1.400 Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen in Deutschland das Beratungsangebot in Anspruch genommen. Die Schuldenhöhe der beratenen Personen betrug durchschnittlich 34.400 Euro, was etwa dem 33-fachen ihres Monatseinkommens entspricht. Hauptursachen für die Überschuldung waren Arbeitslosigkeit, längerfristiges Niedrigeinkommen, gesundheitliche Probleme, Trennung oder Tod des Partners.
„Das Angebot der gemeinnützigen Schuldner- und Insolvenzberatungsstelle des Diakonischen Werkes muss auch in Zukunft aufrechterhalten werden, sichergestellt und personell noch besser ausgestattet sein“, so Söhl. „Das ist notwendig, um – insbesondere im ländlichen Raum – den tatsächlichen Bedarf zu decken und Wartezeiten zu vermeiden.“ Notwendig sei auch der politische Wille, die finanzielle Kompetenz von Erwachsenen, Kindern und Jugendlichen zu entwickeln und zu stärken. Das helfe, die Problematik von Ver- und Überschuldung langfristig zu reduzieren. „Zudem muss die Finanzierung der Schuldnerberatung gesichert werden, damit dieses auf nachhaltige Stabilisierung zielende Angebot greift.“
Schuldnerberaterin Söhl hält es zudem für erforderlich, den Schuldnerschutz zu stärken. Das 2010 eingeführte Pfändungsschutzkonto erfülle eine wichtige Schutzfunktion für Überschuldete. Bei der Umsetzung des Pfändungsschutzkontos habe es regional einige Probleme gegeben. Die Fachfrau fordert, darauf durch entsprechende Gesetzesänderungen zu reagieren, damit Schuldner und Beratungsstellen nicht unnötig belastet werden.
Aus ihrer Erfahrung in der Praxis hält es die Expertin auch für notwendig, die bedarfsdeckende Existenzsicherung zu gewährleisten. Viele Ratsuchende, so ihre Beobachtung, seien in prekären Beschäftigungsverhältnissen sogenannte „Aufstocker“. Ratsuchende mit niedrigem Einkommen dürften nicht länger gezwungen sein, bei größeren Reparaturen, der Anschaffung einer Waschmaschine oder eines Kühlschranks Finanzierungsangebote zu nutzen oder Darlehen beim Jobcenter aufzunehmen. „Gestiegene Kosten für Energie führen dazu, dass immer mehr Menschen mit niedrigem Einkommen ihre Strom- und Heizkostenrechnung nicht mehr bezahlen können und sich verschulden.“
Schließlich müsse der Gesetzgeber eine Regelung finden, damit verschuldete Menschen, die Beitragsrückstände bei ihrer gesetzlichen Krankenkasse oder in der privaten Krankenversicherung haben, dennoch Zugang zum Leistungsumfang der Regelversorgung erhalten.
Kontakt: Diakonisches Werk, Schuldner-und Insolvenzberatung, Bahnhofstraße 7, 27432 Bremervörde, Telefonische Terminvereinbarung dienstags und donnerstags von 9:00 bis 12:00 Uhr, Telefon: 04761-9935-20, E-Mail: schuldenverwaltung@kkbz.de
Diakonisches Werk Bremervörde