Junger Südafrikaner startet Ausbildung in Tarmstedt
Anele Ndabeni neigt sich mit dem Oberkörper unter die geöffnete Motorhaube und macht sich mit einem Schraubenschlüssel an dem Aggregat zu schaffen. Seit Anfang September werkelt der junge Südafrikaner in der Werkstatt des Autohauses Warncke als Mechatroniker – und trägt mit seiner fröhlichen Art nicht nur zur Auflockerung der Atmosphäre bei, sondern bereichert auch den Wissensschatz der anderen Mitarbeiter. Lernen sei schließlich keine Einbahnstraße, versichert Ausbilder Wolf Warncke.
Begeistert von Automobilen, hat Anele Ndabeni in Tarmstedt als angehender Kfz-Mechatroniker sein Hobby zum Beruf gemacht.
„Anele, wieso hast Du denn schon eine Mütze auf?“ Auf diese Frage aus dem Kreis der Kollegen kann Anele Ndabeni aus Kapstadt nur schmunzelnd den Kopf schütteln. „Es ist so kalt hier!“, antwortet er schließlich. Dort, wo er bis 2013 gelebt hat, herrschten gestern Sonnenschein und 24 Grad. „Bald muss ich wieder meine Thermoleggings und drei Pullover übereinander anziehen“, lacht der 26-jährige Südafrikaner. Minusgrade und Schnee? In Südafrika gebe es sowas höchstens mal in den Bergen, versichert er. Fast 10 000 Kilometer trennen ihn von seiner einstigen Heimat.
Während seines Freiwilligen Sozialen Jahres 2011 in Basdahl-Oese hat er nicht nur Deutschland kennen und lieben gelernt, sondern auch seine Frau Jessica Becker. Im August 2013 hat das Paar in Ndabenis Heimat geheiratet, ehe es zurück nach Deutschland kam. Jetzt lebt und arbeitet Anele Ndabeni hier. Er hat bereits die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen und im Autohaus Warncke einen Ausbildungsplatz zum Kfz-Mechatroniker erhalten.
Neue Impulse und Ideen
Die Leidenschaft für Autos hat er wohl von seinem Onkel geerbt, der in Südafrika eine kleine Garagen-Werkstatt besitzt. „Unser erstes Familienauto war ein VW Jetta CLI“, berichtet er. „Ich habe dieses Auto geliebt!“ Kein Wunder, dass ihm die Arbeit in einer VW-Werkstatt ganz besonders zusagt. Er sei von Anfang an sehr motiviert gewesen: „Ich wollte entweder etwas im sportlichen Bereich oder in der Automobilbranche machen.“ In Südafrika gebe es gar keine Ausbildungen, dort würden die Mechaniker entweder von ihren Verwandten lernen oder sich selbst die Fähigkeiten beibringen.
Nach ein paar Bewerbungen wurde er schließlich vom Autohaus Warncke zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Trotz anfänglicher Sprachprobleme sei er überzeugt gewesen, die Ausbildung zur gegenseitigen Zufriedenheit absolvieren zu können, was er bei seinem Vorstellungsgespräch im März dieses Jahres auch zum Ausdruck gebracht habe. Bereits nach zwei Wochen Praktikum war dann für beide Seiten klar, dass Ndabeni die Ausbildung antreten durfte.
„Er brachte von Anfang an eine Fröhlichkeit in den Betrieb“, berichtet Autohaus-Inhaber Wolf Warncke. „Anele verbessert einfach die ganze Atmosphäre. Er singt und summt während der Arbeit, was für eine entspannte Stimmung sorgt.“ Trotzdem sei er sich anfangs unsicher gewesen, immerhin seien zwei völlig unterschiedliche Kulturen aufeinander getroffen. „Es hat noch nie jemand aus dem Ausland eine Ausbildung bei uns gemacht. Jetzt, nach den ersten Wochen, stelle ich aber fest, dass Anele unsere Firma absolut bereichert. Diese Idee, diese Chance der Integration ist zukunftsträchtig“, sagt Warncke. Der kulturelle Austausch bringe neue Impulse, neue Ideen und neues Wissen, betont er. Deutschland entwickle sich zwar positiv, doch Warncke wünscht sich noch mehr Bereitschaft, Menschen anderer Herkunft stärker zu integrieren und die Integration als eine Chance für beide Seiten zu sehen.
Der Südafrikaner lächelt verlegen. in Kapstadt herrsche generell eine andere Stimmung, alles sei viel lauter, und es gebe viel Chaos. „Deutschland ist organisierter und ruhiger als Südafrika“, findet er. Trotzdem oder genau deshalb ist er hier sehr zufrieden, auch wenn er immer wieder an seine Grenzen stoße: sprachlich und auch im täglichen Leben.
Die Schule sei zum Beispiel eine große Herausforderung: „Die Lehrer sprechen so schnell, da komme ich manchmal nicht hinterher.“ Deutsche Songs wie von dem Sänger Tim Bendzko helfen ihm jedoch dabei, die Sprache schneller zu erlernen. Sein Lieblingswort sei „Schraubenzieher“, was in seinem Beruf nicht sonderlich überrascht, und „Gewürz“, was verwunderlich ist, wo er doch eigentlich gar keinen speziellen Bezug zu diesem Wort habe. „Es gefällt mir vom Klang her einfach“, lächelt er.
Auch das deutsche Essen hat es ihm angetan. „Bratwurst, Schnitzel und mildes Pils schmecken ganz besonders gut.“ Vom typisch deutschen Sauerkraut und höherprozentigen Bieren lässt er jedoch lieber die Finger. „Tortellini mag ich auch noch sehr gerne, das gibt es bei uns zum Beispiel gar nicht, Kartoffeln und Reis sind in Südafrika Grundnahrungsmittel.“ Generell ist er von der riesigen kulinarischen Vielfalt, die Deutschland bietet, sehr beeindruckt.
Auch sportlich ist Anele Ndabeni inzwischen im hiesigen Fußball aktiv. Er spielt selbst beim TuS Tarmstedt und trainiert eine U 16-Mannschaft. Trotz der Nähe zur Hansestadt Bremen schlägt sein Herz für Bayern München. „Werder spielt guten Fußball, aber Bayern ist in meinen Augen eben doch ein bisschen besser.“ Der Südafrikaner bemüht sich sehr, Deutsch zu sprechen. Über jedes neue Wort, das er lernt, freut er sich sichtlich. Im Fußballtraining gleite er manchmal noch ins Englisch hinüber. „Deutsch ist eben doch eine schwierige Sprache“, meint er. Seine Familie in Kapstadt sieht er selten. Sein Vater ist krank, und ein Zwölf-Stunden-Flug sei ihm derzeit nicht zuzumuten. Trotzdem hofft er, ihn im nächsten Jahr besuchen oder ihn nach Deutschland einladen zu können.
Anele Ndabeni hat Glück gehabt. Die Liebe, der Ausbildungsplatz und der Sport haben ihm sehr geholfen, sich in Deutschland zurechtzufinden. Auch wenn es anfängliche Schwierigkeiten gab, habe er seine Entscheidung keinen Tag bereut. Er fühlt sich heimisch, hat hier Freunde gefunden. Noch gerne erinnert er sich an den Moment des ersten Winters 2013, als er bei eisigen Temperaturen und Glatteis stürzte. In genau diesem Augenblick habe er sich gesagt: „Anele? Herzlich Willkommen in Deutschland."
Quelle: Linda Eggert, Weser Kurier/Wümme Zeitung, 11. November 2014