Osterfreude

Nachricht 18. April 2014

Osterandacht von Landessuperintendent Dr. Hans Christian Brandy

Ein grausamer Verwalter quälte die leibeigenen Bauern so sehr, dass sie ihn umbringen wollten. Leo Tolstoi erzählt diese Geschichte aus dem alten Russland. Ein Bauer aber, Pjotr, war dagegen. Sie hätten kein Recht, jemanden zu töten, sagte er. Er würde auch zu Ostern das Feld pflügen. Tatsächlich kam auch am Osterfest der Befehl, das Haferfeld des Gutes zu pflügen. Die Bauern schimpften und murrten, aber aus Angst wagte niemand sich zu widersetzen. Die Kirchenglocken läuteten, überall feierte das Volk - nur die Bauern mussten arbeiten. Aber Pjotr kam in einem österlichen Festgewand, sang Sonntagslieder und grüßte mit dem Ostergruß. Dazu hatte er eine Osterkerze vorne an dem Querholz des Pfluges angebracht – und die ging nicht aus. So pflügte er singend und feiernd das Feld. Als der Verwalter das hörte, fiel er in tiefe Nachdenklichkeit. Auf Drängen seiner Frau ritt er schließlich zu den Bauern hinaus, um sie heimzuschicken.

Eine schöne Geschichte von österlicher Befreiung. Ist sie allzu schön und damit illusionär? Auch zu Ostern 2014 werden Menschen unterdrückt und sind die Güter auf der Erde ungleich verteilt. Die einen haben nicht genug, die anderen können nicht genug kriegen. Erschreckend viele Menschen sind auf der Flucht. Die Todesordnung dieser Welt scheint ungebrochen in Kraft.

Aber auch zu Ostern 2014 wird in ungezählten Kirchen die Osterkerze entzündet. Sie leuchtet im Dunkel. Sie erinnert daran, dass Jesus selbst dieses Dunkel erlebt und erlitten hat. Und dass Gott ihn nicht darin gelassen hat. Ostern ist ja kein harmloses happy end. Jesus ist durch Sterben und Tod hindurchgegangen – so hat er den Tod überwunden. Über genau diesem Dunkel geht die Ostersonne auf – Jesus ist aufer-standen. In unsere Welt leuchtet seither ein neues, ein ewiges Licht Gottes. Ein Gegenmittel gegen alle lähmende Angst.

Ich finde das eine ermutigende Vorstellung: Wer immer seinen Acker mit mancher Mühsal pflügt - auch auf diesem Pflug steht seit Ostern ein göttliches Licht. Niemand muss mehr im Dunkeln seine Furchen ziehen. Auch wer durch persönliche Nöte und Traurigkeiten geht, auch wer an Ungerechtigkeit leidet: Jeder und jede kann seinen Acker im Licht von Ostern pflügen, in der Zuversicht, dass die Todesordnung dieser Welt durchbrochen ist, dass Gott selbst dem Leben zum Sieg verhilft. Und wie bei Tolstoi, glaube ich, kann das ein unscheinbarer, aber unerhört wirksamer Akt des Widerstandes sein, gegen Traurigkeit, gegen Gewalt und Unterdrückung. Das manchmal kaum sichtbare Licht auf dem Pflug, mit dem wir unsere Lebensfurche ziehen, es steht für Gottes große Zukunft, die Ostern begonnen hat. Und für Jesus, der in seine müde und verzweifelte Gemeinde trat und sagte: Friede sei mit euch. Ihr habt neuen Grund zur Hoffnung, zur Freude, neuen Anlass zum Handeln.