Befreiungstheologie als Teil der Reformationsgeschichte

Nachricht Verden/Elbe-Weser-Raum, 13. Mai 2017

Studientag zu Dorothee Sölle am 6. Mai 2017 in Verden

„Manchmal denke ich, das Christentum hat versäumt, uns zu erwachsenen Freundinnen und Freunden Jesu zu erziehen.“ Mit Sätzen wie diesem provozierte Dorothee Sölle ihr theologisches Umfeld. Und mit Sätzen wie diesem haben sich 30 Frauen am 6. Mai in Verden beschäftigt, um der Befreiungstheologie Sölles auf die Spur zu kommen.

Pastorin Bettina Rehbein, Theologische Referentin im Frauenwerk der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers, und Susanne Decker-Michalek, Diakonin des Frauenwerkes im Sprengel Stade, führten an diesem Studientag in die Befreiungstheologie ein, wie sie von Dorothee Sölle vertreten wurde.

Hiernach ist es Gottes Ziel, die Menschen aus der Sklaverei zu befreien und gerechte Verhältnisse für alle zu schaffen. Und dabei ist unsere Mithilfe unerlässlich. „Ein Glauben, der nur in der Theorie oder in frommen Gedanken stattfindet, ist Heuchelei“, so Sölle. Gott ist nicht fernab auf einen Richterstuhl verbannt und damit auf den Ausschnitt der Begnadigung reduziert (Klara Butting).

Mit ihren provokanten Arbeiten und Statements traf Sölle natürlich auf erheblichen  Widerstand in der etablierten Kirche, der z. B. dazu führte, dass sie zeitlebens in Deutschland keine Professur erhielt. Diese Verweigerungshaltung konnte aber nicht verhindern, dass Dorothee Sölle heute als Reformatorin der Kirche des 20./21. Jahrhunderts angesehen wird, und dass sie ihren verdienten Platz in der inzwischen 500 Jahre währenden Reformationsgeschichte einnimmt.

Zusätzlich zu den Vorträgen der Referentinnen tauschten sich die Teilnehmerinnen des Studientages in Arbeitsgruppen aus und setzten sich mit verschiedenen Texten Sölles auseinander. Auch hierbei wurde deutlich: Für die Theologin Sölle war Glauben und Handeln nicht zu trennen. Um  Gerechtigkeit wahr werden zu lassen, ist Gott auf unsere Unterstützung angewiesen. „Gott hat keine anderen Hände als unsere“ – Dorothee Sölle (1929-2003) nahm und nimmt ihre ZuhörerInnen in die Pflicht.

Der informative Studientag klang aus mit einer musikalischen Sonntagsbegrüßung, die natürlich viele Sölle-Texte aufnahm. In diesem Gottesdienst wurde außerdem Ruth Kahlke-Kuipers als Kontaktperson der Frauenarbeit im Kirchenkreis Verden eingeführt.

Für alle, die diesen Studientag verpasst haben, gibt es eine zweite Chance. Am 28. Oktober wird es in Buchholz eine Neuauflage dieses Tages geben.

CREDO (von Dorothee Sölle)

ich glaube an gott
der die welt nicht fertig geschaffen hat
wie ein ding, das immer so bleiben muss
der nicht nach ewigen gesetzen regiert
die unabänderlich gelten
nicht nach natürlichen ordnungen
von armen und reichen
sachverständigen und uniformierten
herrschenden und ausgelieferten

ich glaube an gott
der den widerspruch des lebendigen will
und die veränderung aller zustände
durch unsere arbeit
durch unsere politik

Marina Vollmann