Cuxhaven (epd). Den Reformator Martin Luther (1483-1546) und den Fantasy-Helden Harry Potter miteinander vergleichen und nach Gemeinsamkeiten suchen? Das funktioniert, sagen angehende Theologen, die für die Urlauberseelsorge an der Nordseeküste im Kirchenzelt am Strand von Cuxhaven-Sahlenburg Andachten planen. "Beide haben beispielsweise an Hexen geglaubt", sagt Mitorganisatorin Almut Wenck dem Evangelischen Pressedienst (epd) und schränkt schmunzelnd ein: "Nur mit dem Unterschied, dass Luther Hexen gegenüber nicht positiv gestimmt war. Da war er ein Kind seiner Zeit."
An diesem Dienstag (18. Juli) organisiert die 24-jährige Theologiestudentin in einem sechsköpfigen Team ab 20 Uhr eine erste Andacht, die sich mit Martin Luther und Harry Potter beschäftigt. "Wir wollen aus Harry-Potter-Büchern vorlesen", erläutert Wenck. Der Abendtermin darf durchaus als launige Ergänzung der bundesweiten Feiern zum 500. Reformationsjubiläum in diesem Jahr begriffen werden: Die evangelische Kirche erinnert bis zum 31. Oktober an die Veröffentlichung der 95 Thesen durch Luther vor 500 Jahren und den Anfang der Reformation.
Eine weitere Gemeinsamkeit: Luther und die Romanfigur aus der Fantasy-Reihe der englischen Schriftstellerin Joanne K. Rowling erlebten Momente, die ihr Leben tiefgreifend veränderten. "Bei Harry Potter war es der Brief, mit dem ihm mitgeteilt wurde, dass er an der Hogwarts-Schule für Hexerei und Zauberei aufgenommen wird", listet Wenck auf. "Bei Luther sollen es ein schweres Gewitter und ein Blitz gewesen sein, die ihn geloben ließen, Mönch zu werden."
Auch in der Rechtfertigungslehre Luthers sieht Wenck Parallelen zum Romanwerk von Rowling. Luthers Kernthese der Reformation, dass der Mensch sein Heil allein aus göttlicher Gnade gewinnen kann und nicht aufgrund eigener Verdienste, stehe bis heute im Zentrum protestantischer Verkündigung. "Bei Harry Potter sagt Hogwarts-Direktor Albus Dumbledore den zentralen Satz, viel mehr, als unsere Fähigkeiten sind es unsere Entscheidungen, die zeigen, wer wir wirklich sind."
Der erste Luther-Potter-Abend in Sahlenburg steht unter der Überschrift "Martin und der Stein der Weisen". Eine weitere Andacht ist in Sahlenburg am 25. Juli geplant, wieder um 20 Uhr. Wenck ist schon zum siebten Mal bei der Urlauberseelsorge und "Kirche unterwegs" dabei. "Hier kann jeder kommen, wie er mag, es gibt keinen Zwang. Das gefällt mir und ist fernab von dem, was sich die Leute möglicherweise über eine spießige Kirche vorstellen. Dass Kirche Spaß macht, bereichert die Menschen."
Bundesweit ist die "Kirche unterwegs" auf rund 50 Campingplätzen vertreten. In Niedersachsen sind es etwa zehn, auf denen sich vielfach Ehrenamtliche wie Wenck engagieren. An der Nordsee organisieren sie auf den Campingplätzen in Dornumersiel, Bensersiel und Neuharlingersiel sowie in Otterndorf und Sahlenburg Angebote für Urlauber - von Andachten über Gute-Nacht-Geschichten für Kinder bis zum Stockbrotbacken für die ganze Familie.
Dieter Sell, Evangelischer Pressedienst