Weihnachtsandacht von Landessuperintendent Dr. Hans Christian Brandy
Überall stehen sie zu Weihnachten, die Krippen: Maria und Josef, Hirten und Könige, im Mittelpunkt immer das Kind. Dieses Urbild von Weihnachten übt eine besondere Faszination aus. Ein Neugeborenes zieht uns in seinen Bann und strahlt etwas Wundersames aus. Alles ist zart und verletzlich. Daran erinnert uns jede Krippe: Gott kommt als ein solches Kind in unsere Welt.
Das Kind in der Weihnachtskrippe ist damit ein Kind wie jedes Kind und doch sehr besonders. Denn in diesem Kind ist Gott selbst zu uns Menschen gekommen, in aller Ärmlichkeit und Niedrigkeit. In diesem Kind wird meine Geschichte mit der Geschichte Gottes verbunden. „Welch größeres Geschenk hätte Gott vor unseren Augen aufleuchten lassen können als dieses: dass er seinen eingeborenen Sohn zum Menschensohn werden ließ, damit jedes Menschenkind ein Kind Gottes werden kann? Wessen Verdienst ist dies? Welchen Grund gibt es dafür? Du wirst nur eine Antwort finden: Alles ist Geschenk.“ So hat es Augustin, der Kirchenvater der frühen Christenheit gesagt.
Jedes Menschenkind ein Kind Gottes. Alles ist Geschenk. Die Philosophin Hannah Ahrendt spricht dann von der „Geburtlichkeit“ unserer Existenz, sie betont das Weihnachtliche des Lebens: Geboren werden ist ein Wunder, das nicht in unserer Hand liegt und das wir nur geschehen lassen können. Ohne Geburt gibt es kein Leben. Wir können dieses Wunder aber nicht machen und nicht für Geld kaufen. Jedes Leben ist Geschenk. Daran erinnert die Krippe.
Zu Weihnachten trete ich an die Krippe, zu diesem Wunder, zu diesem tiefen Geheimnis. Als ganz eigene Person. „Ich steh‘ an deiner Krippen hier“, so Paul Gerhardts Weihnachtslied. Das Wunder von Weihnachten gilt jedem und jeder ganz persönlich. „So lass mich doch dein Kripplein sein; komm, komm, und lege bei mir ein, dich und all deine Freuden“, dichtet Paul Gerhardt. Ich selbst werde zur Krippe, zu seiner Wohnung. Ich persönlich bin beschenkt, ich bin gefragt mit meinem Glauben, meinem Vertrauen, auch mit meinen Zweifeln.
Das zurückliegende Jahr mit seinen Umwälzungen und Krisen hat deutlich gemacht: Was wir als selbstverständlich erleben, eine freiheitliche, demokratische, vielgestaltige Gesellschaft, ist nicht von sich aus selbstverständlich. Die politische Großwetterlage ruft uns alle auf den Plan als Bürgerinnen und Bürger für unsere Werte einzutreten. Als aufgeklärte Menschen, denen Europa am Herzen liegt, weil es ein großes Friedens- und Versöhnungsprojekt ist -trotz aller Schwächen. Und weil wir unser Land lieben mit seiner Toleranz anderen gegenüber, seiner unabhängigen Justiz, seiner freien Presse, seiner Streitkultur und all den anderen Errungenschaften einer Demokratie. Hierfür gilt es einzustehen. Auf jeden und jede kommt es an. „Ich steh` an deiner Krippen hier.“
Ich wünsche Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, ein gesegnetes und friedvolles Weihnachtsfest.
Landessuperintendent
Dr. Hans Christian Brandy, Stade