Ehemaliger Vizekanzler und SPD-Vorsitzender zu Gast im "Hospiz zwischen Elbe und Weser"
Von Rainer Klöfkorn
Bremervörde. Gestern ist im Bremervörder Hospiz der 60. Gast aufgenommen worden – ein Zeichen dafür, wie notwendig diese im Elbe-Weser-Raum bislang einzigartige Einrichtung ist. Was dort alles unternommen wird, damit Sterbenskranke ihre letzte Lebensphase in Würde verbringen können, davon überzeugte sich am Mittwoch bei einem Besuch der ehemalige Vizekanzler und SPD-Vorsitzende Franz Müntefering. Der 74-Jährige zeigte sich beeindruckt von dem Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: „Sie können stolz auf das sein, was sie hier leisten.“
Christian Reitz hat sich schon den ganzen Tag auf die Begegnung mit Franz Müntefering gefreut. Der Stader ist einer von zehn Gästen, die am Mittwoch im Hospiz von dem Team um Sabine Eckstein betreut werden. „Seit Mai haben wir 50 Begleitungen durchgeführt“, sagt die Hospiz- und Pflegedienstleiterin zu ihrem Gast, der in Begleitung von Superintendent Wilhelm Helmers und Pastor Volker Rosenfeld das Gebäude am Engeoer Wäldchen besucht. Der 60. Gast wird am nächsten Tag erwartet, es bestehe sogar eine „kleine Warteliste“.
Bei Kaffee, Tee, Brötchen und selbst gebackenem Kuchen („Eckstein: „Den gibt es hier jeden Tag“) wird Müntefering ausführlich informiert. Dessen Frau Ankepetra starb im Juli 2008. Damit er sie zu Hause pflegen konnte, trat er im Herbst 2007 als Bundesminister und Vizekanzler zurück. Mittlerweile ist er wieder verheiratet, seine Frau ist Abgeordnete des Bundestages.
Als Sozialminister in Nordrhein-Westfalen habe er Mitte der 1990er Jahre zwei Hospize in Köln und Bonn eingeweiht. Von der grundsätzlichen Bedeutung der Hospiz-Arbeit ist Franz Müntefering überzeugt: „Wir brauchen noch mehr solcher Einrichtungen.“ Vielen Menschen sei es nicht vergönnt, ihre letzte Lebensphase zu Hause zu verbringen. Hospize würden Mut machen, „dass es dennoch gelingen kann, den letzten Lebensabschnitt bewusst erleben zu können.“ Diesen intensiven Umgang mit den Erkrankten könnten Pflegeheime aufgrund ihrer Aufgabenstellung nicht leisten, meint der 74-Jährige.
Im Bremervörder Hospiz sei das Team, dem auch ehrenamtliche Mitarbeiter angehören, bemüht, das „Dunkle und Düstere für die Gäste aufzuweichen“, sagt Pastor Rosenfeld. Neben der Betreuung und ärztlichen Versorgung, für die 24 Stunden am Tag gesorgt sei, sei die Atmosphäre besonders wichtig. Die Gäste sollen sich bis zuletzt wohl und behütet fühlen. Es sei die Erfahrung gemacht worden, dass, wenn die Torturen der Behandlung und der Druck weg seien, um die Gesundheit kämpfen zu müssen, es vielen Gästen oftmals besser gehe. „Es entlastet Kranke wie Angehörige“, sagt Rosenfeld, der neben seiner Tätigkeit als Gemeindepastor das Hospiz als Geschäftsführer leitet.
Wie aufs Stichwort erscheint eine Frau aus dem Südkreis in ihrem Rollstuhl. Auch sie freut sich, mit Franz Müntefering einige Sätze wechseln zu können. „Was hier geleistet wird, ist ein gutes Beispiel für eine gute Pflege“, sagt sie. Ihre positive Aussage sei mit der Leitung des Hauses nicht abgesprochen gewesen, fügt sie lächelnd hinzu. Für sie und alle Gäste hier werde „jeder Tag zu einem Geschenk“.
Im Anschluss an den Besuch in Bremervörde fährt ein sichtlich beeindruckter Müntefering nach Zeven, wo er in der St.-Viti-Kirche über Sterbehilfe spricht. In das Gästebuch des Bremervörder Hospiz hat der ehemalige Vizekanzler einen Satz geschrieben – im typischen Müntefering-Stil: „Helfen und helfen lassen!“
"Die Abschiedskultur einer Gesellschaft sagt viel über sie aus."
FranzMüntefering