Wenn etwas stirbt, wächst neues Leben
Thomas Steinke, der bis vor kurzem Pastor für Gemeindeinnovation in beiden Kirchenkreisen war und inzwischen leitender Referent der Missionarischen Dienste im Haus kirchlicher Dienste (HkD) in Hannover ist, verglich die Kirche mit einer Blumenzwiebel. Sie werde im Herbst vergraben, verschwinde unter der Erde – um dann zu neuem Leben zu erwachen. „Die Blumenzwiebel ist ein starkes österliches Bild, weil sie den Blick nicht nur darauf lenkt, was abbricht, was zu Ende geht und stirbt – sondern auf das Wunder zu vertrauen, das aus dem Tod neues Leben wachsen wird.“ Es tue weh, wenn etwas abstirbt, was vertraut war. „Aber wenn manche Formen zu Ende gehen, ist das nicht gleichbedeutend mit dem Ende der Kirche.“ Das könne sogar Voraussetzung dafür sein, das etwas Neues wächst und aufblüht.
Das Neue ist nicht gleich sichtbar
Diakonin Annika Brunotte, die gemeinsam mit Thomas Steinke durch den Tag führte, sagte in Bezug auf die Blumenzwiebel: „Sie erinnert uns daran, dass auch etwas geschehen kann, wenn man es noch nicht sieht.“ Auch das Volk Israel habe lange im Exil ausharren müssen, bevor Gott es befreit und zurück in die Heimat geführt habe. In einer Situation von „Düsternis und Ausweglosigkeit“ habe Gott dem Volk Israel eine neue, bessere Zukunft versprochen. „Auch ich brauche immer wieder diese Erinnerung von Gott: das Neue ist da, auch wenn ich es noch nicht sehen kann. Eines Tages werde ich seine Blüten sehen.“
Kirche, die sich verliert, findet sich neu
Philipp Elhaus, Referent am Sozialwissenschaftlichen Institut der EKD und Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Praktische Theologie der Universität in Kiel, sagte, dass der Geist Jesu nicht in bestimmte Formen von Gemeinde einzäune, sondern freisetze – zur Gestaltung des eigenen Lebens, zur Mitwirkung im Gemeinwesen. Man könne die Kirche nach der Corona-Zeit sowohl als Palliativstation als auch als Geburtsabteilung sehen. Einerseits habe die Pandemie zu einem „Raumverlust“ geführt, weil Veranstaltungen schwierig wurden – andererseits habe das die Christen „nach draußen getrieben“ und so zur Geburt von etwas Neuem geführt. Als positive Effekte sieht er, das Kirche mit neuen, kreativen Formen experimentiert habe, die häufig von Teamwork, Beteiligung und Vielfalt geprägt seien. Das Evangelium verbinde, die Formen seien vielfältig. Wichtig sei dabei, Fehler zuzulassen und sie als Lernerfahrung zu sehen. Sein Fazit: „Indem Kirche aus sich herausgeht, entdeckt sie sich neu. Wenn Kirche sich verliert, findet sie sich neu, bei und mit den Menschen.“
Was die Kirche von Reportern lernen kann
Die Journalistin beim Privatsender RTL, Katrin von Danwitz, sagte, dass die Kirche von ihrem Beruf des Reporters lernen könne, in dem sie rausgehe, nahe bei den Menschen sei und in ihre Lebenswelt eintauche. „Ich träume also eine Kirche, die viel weniger dieses Gebäude ist, sondern eine Kirche, die wirklich bei den Leuten ist und die wieder Teil ihrer Lebenswelten wird. Die nicht sagt: Passt Euch an, an uns und unsere Formen, sondern die sich wirklich auf den Weg macht.“ Sie habe das in ihrer Gemeinde an Weihnachten erlebt, als viele Ehrenamtliche kleine Tüten für einen Weihnachtsgottesdienst zu Hause gepackt und verteilt hätten. „Dabei habe ich die Erfahrung gemacht: Die ‚Kirchenfernen‘ und Ausgetretenen sind oft alles andere als glaubensfern. Im Gegenteil: Nur weil die Menschen hier nicht am Sonntag um 10 Uhr erscheinen, heißt das noch lange nicht, dass sie nicht doch zu Gott beten.“ Auch in einer Großstadt wie Hamburg erlebe sie viele Menschen auf der Suche, denen der Glaube an Gott helfen würde. Ihr Aufruf: „Lasst uns endlich Teil der Lebenswelt dieser Menschen zu werden. Endlich unseren Job noch ernster nehmen: Gehet hin!“
Ohne Theologensprache vom Glauben reden
Der Superintendent im Kirchenkreis Rotenburg, Michael Blömer, schloss daran an: „Wir müssen uns auch fragen, was wir zu bieten haben. Gemeinschaft ist ein Faktor, aber als Kirche wollen wir mehr. Wir müssen den ‚Mehrwert des Glaubens‘ noch viel deutlicher machen: Ohne Theologensprache zu erklären, was den Glauben eigentlich ausmacht und wie er mir zu einem besseren Leben verhilft – nicht erst im Himmel, sondern schon hier auf Erden.“ Ihn selbst habe als 16-jähriger die Botschaft verändert, dass Gott an seiner Seite sei. „Das hat mir Ängste genommen und mir Ruhe und Kraft gegeben für meinen Alltag und meine Lebensaufgaben.“ Um diese Botschaft zu verbreiten, seien alte und neue Formen gleichermaßen notwendig. Die Kirche müsse auch Mut haben, mal ohne schlechtes Gewissen einen Gottesdienst am Sonntag um 10 Uhr ausfallen zu lassen, um einen am Freitagabend feiern zu können.
Simon Laufer, Öffentlichkeitsarbeit Kirchenkreis Bremvervörde-Zeven