"Im ersten Moment habe ich gedacht: 'Was will der denn hier?' Aber dann war ich sehr froh, dass es jemanden gab, der klar denken konnte. Ich wusste ja noch nicht mal, wie das Licht angeht." So beschreibt Arne Micheel seine erste Begegnung mit Notfallseelsorger Eckhard Bock beinahe genau vor vier Jahren. Der Beverstedter Pastor saß bei Micheels am Tisch, weil an jenem Morgen ein Sohn der Familie bei einem schweren Autounfall ums Leben gekommen war.
Notfallseelsorger - das sind im Kirchenkreis Wesermünde 23 Pastorinnen und Pastoren und ein Diakon. "Liegen nicht besondere Gründe vor, ist es als Pastorin oder Pastor bei uns verpflichtend, sich in der Notfallseelsorge zu engagieren. Das hat die Kirchenkreiskonferenz so beschlossen", sagt Pastor Bock. Eine Woche dauert in der Regel der Bereitschaftsdienst, dann wandert die Bereitschaft über das Notfallhandy zum nächsten Kollegen. Zu 30 bis 40 Einsätzen im Jahr werden die Seelsorger gerufen. "Das hört sich jetzt erst einmal nicht so viel an", sagt Bock. "Aber das bedeutet ungefähr alle zehn Tage einen Notfall." Notfallseelsorge gibt es in der Landeskirche Hannovers flächendeckend. "Auslöser war das ICE-Zugunglück von Eschede 1998", ergänzt Bock.
Alarmiert werden die Pastoren durch die Einsatzkräfte über die Leitstelle in Bremerhaven. "Wenn ich angerufen werde und es ist sehr weit entfernt, dann versuche ich zuerst, den Kollegen vor Ort zu erreichen." Ist das nicht möglich, setzt er sich ins Auto. "Meine Einsatztasche liegt dann schon im Kofferraum." So eine Tasche hat jeder Notfallseelsorger für sich zusammengestellt. Eine Bibel befindet sich darin, ein Teddy, falls Kinder beteiligt sind, eine Kerze, ein kleines Holzkreuz, ein Engel und die lila Warnweste, an der die Notfallseelsorger zu erkennen sind. "Das ist besonders an einem Unfallort wichtig." In der Tasche befindet sich auch ein Buch, in dem Gebete und Psalmen, Lieder und Segenssprüche zu finden sind. "Gerade wenn die Situation sehr belastend ist, ist es wichtig, dass man sich an den Texten festhalten kann", betont Bock. An diesem Morgen hat Arne Micheel 25 neue Exemplare mitgebracht, die der Ingenieur der Notfallseelsorge spendet.
Einen festen Ablaufplan am Einsatzort gibt es natürlich nicht: "Ich bin einfach da. Ich habe keine Aufgabenliste, die ich abarbeiten muss. Es ist gut, wenn die Betroffenen erzählen können. Aber vielleicht schweigen wir auch nur." Es kommt aber auch vor, dass er weitere Angehörige abholt und heimbringt oder dass er mit der Familie überlegt, wer informiert werden muss. Ist jemand zu Hause gestorben, kann der Notfallseelsorger eine Aussegnung gestalten, bevor der Bestatter den Leichnam mitnimmt. Notärzte, Rettungsdienste und Polizisten müssten bald wieder gehen, der Notfallseelsorger bleibt: "Ich gehe erst wieder, wenn ich das Gefühl habe, dass es gut ist oder wenn Unterstützung da ist." Manche Einsatzkräfte von der Feuerwehr sieht Pastor Bock später wieder. "Nach besonders belastenden Einsätzen ist auch für die Feuerwehrleute manchmal ein Nachgespräch wichtig, um reden zu können und die schlimmen Bilder loszuwerden."
Auch für Arne Micheel war es sehr hilfreich, dass ein Notfallseelsorger da war, als die Welt über seiner Familie zusammenbrach. "Ich finde es außergewöhnlich, dass die Kirche das jedem anbietet, ohne dass es die Betroffenen irgendetwas kostet oder dass es eine Rolle spielt, ob sie gläubig oder Kirchenmitglieder sind.“
Ute Schröder, Öffentlichkeitsarbeit Kirchenkreis Wesermünde