Es ist 18.15 Uhr, an der Oeser Dorfkirche bei Bremervörde verstummen langsam die Abendglocken. Kurze Zeit später macht es „pling“ auf hunderten Smartphones: Seit Ende März 2020 werden aus der der kleinen Kirchengemeinde im Kirchenkreis Bremervörde-Zeven Abend für Abend die „Oeser Abendgebete“ verschickt. Begonnen hatte alles mit WhatsApp-Sprachnachrichten. Mittlerweile sind die Kurzandachten sogar als Podcast bei Spotify, Apple und Google Podcast und anderswo zu finden. Sie finden ihren Weg regelmäßig nach Frankreich, die Schweiz und in die USA.
„Mit dem Smartphone am Altar zu stehen und dort Gedanken zum Tag und ein Gebet ins Mikrophon zu sprechen, das war anfangs sehr, sehr merkwürdig“, erinnert sich Marco Müller, Pastor der Kirchengemeinde. Aber genau das sei im vergangenen Frühjahr der Weg gewesen, vielen nahe zu sein, die im ersten Lockdown ebenso unter der auferlegten Distanz litten, die sich Sorgen machten und um die rechten Worte rangen. Mit einem kleinen Kreis von nur 15 Empfänger*innen einer WhatsApp-Gruppe sei es losgegangen. Doch schnell wurden diese täglichen Impulse weitergeleitet. Neue, unbekannte Personen, fern der Oeser Kirchengemeinde hätten sich gemeldet, wollten aufgenommen werden in die Gruppe. So sei diese neue „digitale Gemeinde“ gewachsen. „Über den Sommer, als sich vieles im Alltag wieder normalisiert hatte, haben auch wir die digitalen Andachten ausgesetzt“ erzählt Diakonin Christiane Schult, die von Anfang an im Team war. „Als es dann aber im November wieder losging, wurden die Rufe nach einer Wiederaufnahme lauter und lauter.“ – „Seit einem Jahr können wir in unserer winzigen Dorfkirche keinen Gottesdienst mehr feiern“, berichtet Müller. Und trotzdem sei und bleibe man ja „Gemeinde“: Menschen, die zusammen hoffen und bangen, die sich sorgen und ihre Sorgen vor Gott trügen. „Wenn’s nicht am Sonntagmorgen miteinander geht, dann eben Abend für Abend digital. Da lassen sich plötzlich alte Damen von ihren Enkeln das Smartphone erklären, um den Podcast empfangen zu können.“