Ein Krankenhaus im Elsass. Täglich stehen schwerkranke Menschen vor der Tür. Heilung und Linderung ihrer Schmerzen erhoffen sie sich in diesem Spital. Getrieben von Angst und Sorge um ihr Leben sind sie hierhergekommen. Nein, es ist nicht das Corona-Virus, das hier Menschenleben gefährdet. Wir schreiben das Jahr 1512. Ein junger Maler, Matthias Grünewald, will dem Leid und Elend der Kranken im Isenheimer Krankenhaus Hoffnungsbilder entgegenstellen. Für die Kirche des Spitals gestaltet er einen Altar mit Bildern, die bis heute nichts von ihrer Ausdrucksstärke verloren haben.
Grünewald malt die Kreuzigung, den Tod Jesu, in einer bis dahin nicht gekannten Eindringlichkeit. So können die Leidenden sich in diesem geschundenen Jesus von Nazareth wiedererkennen und darin Trost finden, dass Gottes Sohn auch im Leiden bei ihnen ist.
Ebenso eindrücklich stellt Grünewald die Auferstehung Jesu dar. Er taucht sie in Farbe und Licht. Für mich ist dieses Bild vom Isenheimer Altar, dieses Trost- und Hoffnungsbild für die Erkrankten, eines der wunderbarsten Osterbilder. Denn es stellt dar, was wir zu Ostern feiern, auch in diesem Jahr, gerade auch im Angesicht der Pandemie: Das Leben siegt über den Tod. Gott hat dem Tod ein für allemal die Macht genommen.
Diesen Auferstehungs-Schwung hat Grünewald genial in Szene gesetzt mit dem lichten Körper Jesu. Er trägt noch die Wundmale der Kreuzigung und damit die Zeichen des zerbrechlichen Lebens. Aber die Kraft Gottes hat den Tod überwunden. Das Leichentuch verbindet Jesus noch mit dem offenen Grab, aber dieses Tuch aus gelb, orange, rot und blau nimmt leuchtend die Farben des Regenbogens an. Es ist zum Königsmantel geworden. So sieht Verwandlung aus. So versteht ja auch die Bibel Auferstehung. Nicht Verlängerung des irdischen Lebens, sondern Verwandlung.
Der Auferstandene blickt uns als Betrachtende direkt an, offen und freundlich, seine Hände mit den Wundmalen zum Segen erhoben. Sein Kopf ist das Zentrum des strahlenden Lichtes: Der Auferstandene ist die Sonne der Welt, die hineinleuchtet in all unsere Dunkelheit.
In diesem Jahr sehnen wir uns wohl noch mehr als sonst nach Licht und Sonne, Hoffnung und Leben. Krankheit und Tod sind nicht verschwunden. Natürlich nicht. Sie bedrängen uns sehr. Aber die Angst ist gebrochen durch die Botschaft von Ostern: Das Leben ist stärker. Gott ist stärker als der Tod.
Weil wir dies an Ostern feiern, gilt: Christenmenschen sind Protestleute gegen den Tod. Wer das Geheimnis von Ostern feiert, der kann die Angst vor dem Tod in Sorge für das Leben verwandeln. Derzeit durch große Vorsicht, durch Besonnenheit und durch Ausdauer in belastenden Zeiten.
Matthias Grünewald hat den Menschen aller Zeiten die Osterhoffnung eindrücklich vor Augen gemalt. Sein Bild hat nichts von seiner Strahlkraft verloren. Am Ostermorgen leuchtet das Leben in lichten Farben.
Ich wünsche Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, ein gesegnetes und helles Osterfest!
Regionalbischof
Dr. Hans Christian Brandy, Stade