Gespräche mit Vertreterinnen und Vertretern verschiedener Religionsgemeinschaften führten die Mitglieder der Evangelisch-katholischen Gebietskommission Norddeutschlands auf einer Studienreise nach Istanbul vom 18. bis 23. September. Themen waren unter anderem die Situation der Christen in der Türkei, die Versorgung von Flüchtlingen und die Auswirkungen des gescheiterten Militärputsches vor wenigen Wochen.
Das dichte Besuchsprogramm führte die 15 Teilnehmerinnen und Teilnehmer unter anderem zu Gesprächen in die Evangelische Kreuzkirchengemeinde, das katholische Georgskolleg der Lazaristen und in verschiedene Synagogen und Moscheen. Auch ein Besuch am Sitz des Ökumenischen Patriarchen durfte nicht fehlen. Daneben trafen die Theologen Yusuf Ḉetin, den Metropoliten der Syrisch-Orthodoxen Kirche, sowie Patriarchalvikar Erzbischof Aram Ateşian vom Armenischen Patriarchat.
Zu den Höhepunkten der Reise gehörte der Ausflug zur orthodoxen theologischen Hochschule Chalki auf der Insel Heybeliada bei Istanbul, die derzeit geschlossen ist und nur von wenigen Mönchen bewohnt wird. Auf der Nachbarinsel Burgaz wurde die Studiengruppe herzlich von Vertretern der Alevitischen Gemeinde empfangen.
Daneben blieb noch Zeit, einige wichtige Zeugnisse der christlichen Kultur und Kirchengeschichte zu besuchen, unter anderem die Hagia Sophia in Istanbul und die Irenenkirche, in der 381 das Zweite Ökumenische Konzil das Glaubensbekenntnis verabschiedet wurde. Außerdem sahen die Kommissionsmitglieder den „Tanz der Derwische“, der eine ganz eigene Spiritualität ausdrückt.
Dr. Hans Christian Brandy, Landessuperintendent in Stade und derzeit Leiter der Evangelisch-katholischen Gebietskommission Norddeutschlands, zeigte sich tief beeindruckt von den zahlreichen Gesprächen. „Wir haben in vielen Bereichen einen ganz neuen Blick auf die Dinge gewonnen“, sagte Brandy nach der Rückkehr aus Istanbul. „Zum Beispiel war uns nicht klar, wie relativ sicher die Christen und Juden in der Türkei leben“, so der Regionalbischof. „Außerdem war spannend zu hören, wie unsere Istanbuler Gesprächspartner unterschiedliche Perspektiven auf den gescheiterten Militärputsch vor wenigen Wochen haben“. Bewegend sei aber auch, die stark gesunkene Zahl von Christen in der Türkei und dramatischer noch im ganzen Orient wahrzunehmen.
Die Evangelisch-katholische Gebietskommission Norddeutschland wurde im Jahr 1971 gegründet und soll den Dialog zwischen den christlichen Kirchen in Norddeutschland fördern. Ihre Mitglieder treffen sich ein bis zwei Mal jährlich und unternehmen alle sechs bis sieben Jahre eine mehrtägige Studienreise. So war die Kommission bereits in Genf und hat zuletzt 2010 Rom besucht.
An der diesjährigen Studienreise nach Istanbul nahmen von evangelischer Seite Vertreterinnen und Vertreter der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannovers, der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland, der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Schaumburg-Lippe, der Evangelisch-Lutherischen Kirche Oldenburg sowie der Evangelisch-reformierten Kirche teil. Auf katholischer Seite waren das Erzbistum Hamburg, das Bistum Osnabrück sowie das Bistum Hildesheim vertreten. Geführt wurde die Gruppe vor Ort von Prälat Dr. Nikolaus Wyrwoll, dem ehemaligen stellvertretenden Leiter des Ostkirchlichen Instituts Regensburg (OKI) und ehemaligem Bischöflichen Beauftragten für Ökumene im Bistum Hildesheim, der nach seiner Emeritierung seit einigen Jahren in Istanbul lebt.
Dr. Michael Lukas