Sparen mit Stroh, Papier und Glas

Von Dieter Sell (epd)

Die beste Energie ist die, die gar nicht erst verbraucht wird: Nach diesem Motto ist in Bad Bederkesa ein kirchliches Bildungszentrum entstanden, das hoch effizient mit Strom und Wärme umgeht. Das Modellprojekt verwendet modernste Gebäudetechnologie.

Bad Bederkesa, Kr. Cuxhaven (epd). Stroh in der Wand, Papier im Dach und Glas unter den Füßen: Wer durch den Erweiterungsbau des Evangelischen Bildungszentrums Bad Bederkesa spaziert, merkt zunächst gar nichts von der ausgefeilten Technik, die das EU-Modellprojekt zu einem sogenanten Plus-Energiehaus macht. Aber es sind gerade die inneren Werte des Drei-Millionen-Euro-Komplexes, die Hausbesitzer neidvoll erblassen lassen. Keine Energiekosten mehr, wer möchte das angesichts explodierender Nebenkosten nicht?

Mit der Einweihung am 6. April soll das auf knapp 600 Quadratmetern Erweiterungsfläche des "grünen Bildungszentrums" in Bad Bederkesa Wirklichkeit werden - erstmals in einem norddeutschen Seminarhaus. "Und das ganz ohne Komfortverlust", freut sich Leiter Jörg Matzen, der überzeugt ist: "Energiesparen muss Spaß machen und darf nicht bedeuten, dass wir im Dunkeln sitzen oder den Schafwoll-Pullover überziehen müssen."

Für Fachreferent Wulf Grimm von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt ist die Initiative in Bad Bederkesa beispielhaft: "Wer sich zur Bewahrung der Schöpfung bekennt, der muss heute im Baubestand und bei Neubauten beherzte Maßnahmen ergreifen." Der Schritt zur Energie- und Kosteneffizienz heute sei ein vorsorgender Beitrag für morgen - "wie eine Altersversorgung".

Noch haben die Handwerker alle Hände voll zu tun, um dem Gebäude den letzten Schliff zu geben. Wenn alles fertig ist, liefert es mehr Energie als es verbraucht. Brüssel trägt mit 2,2 Millionen Euro knapp 75 Prozent der Baukosten. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt begleitet das Projekt konzeptionell. Die besondere Herausforderung: Hier soll der Beweis angetreten werden, dass es auch im laufenden Betrieb eines Bildungszentrums mit jährlich 8.500 Gästen gelingt, hoch effizient mit der knappen Ressource Energie umzugehen.

Vorbei die Zeiten, zu denen der Heizkörper bei geöffnetem Fenster volle Pulle glühte und das Licht einen leeren Seminarraum beleuchtete. "Es gibt nur wenige Lichtschalter wie etwa in den Gästezimmern, das meiste automatisieren wir mit Bewegungsmeldern", erläutert Matzen. Durch die massive Dämmung des Baukörpers mit Schotter aus Recyclingglas unter der Bodenplatte, einer 30 bis 40 Zentimeter starken Zellulose-Dämmung in Dach und Wänden sowie dreifach verglasten Fenstern sucht man überdies Heizkörper vergeblich. "Die beste Energie ist die, die gar nicht erst verbraucht wird", betont Matzen.

Kuppeln auf den Dächern lenken über ein ausgeklügeltes Röhrensystem Tageslicht in Foyer und Seminarräume, das bei Bedarf durch LED-Leuchten ergänzt wird. Knapp 700 Quadratmeter Solarkollektoren produzieren den Strom, der im Haus gebraucht wird. Und auch im benachbarten Altbau ist durch eine moderne Heizungsanlage, Dämmung und computergesteuerte Lichttechnik Passivhaus-Standard erreicht. "Die Körperwärme von zwei Personen genügt, um selbst im kältesten Winter einen Raum von etwa 20 Quadratmetern Grundfläche angenehm zu erwärmen", bilanziert Matzen.

Das alles wird durch einen Erdreichwärmetauscher und eine Lüftungsanlage ergänzt, die Schimmel vermeidet und automatisch verbrauchte Luft in den Räumen austauscht. "Wenn zu viel CO2 im Raum ist, liefern Sensoren Frischluft - das wird die Konzentrationsfähigkeit bei Seminaren verbessern", schwärmt Matzen.

Mit Bildungsangeboten und durch den Alltag im Haus können sich Gäste ab April Anregungen für den effizienten Umgang mit Energie zu Hause abholen. "Die Energiewende braucht gute Beispiele", ist Matzen überzeugt. In Bad Bederkesa sollen sie ohne moralischen Zeigefinger vermittelt werden: "Nachdenklichkeit ist natürlich prima, aber Hauptsache, die Gäste fühlen sich wohl."


Info: Das Plus-Energiehaus des Evangelischen Bildungszentrums Bad Bederkesa wird am 6. April offiziell eingeweiht. Der Tag beginnt um 11 Uhr mit einem Gottesdienst im Forum des Zentrums, daran schließt sich ab 13 Uhr ein Festakt an.